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„Endlich wählen im eigenen Land“

23.04.2015 - Artikel

Sie waren ein wichtiger Schritt zur Überwindung der Rassentrennung: die ersten freien Wahlen in Südafrika im April 1994. Unsere Kollegin Vera Paulin war zu dieser Zeit in Südafrika auf Posten.

Sie waren ein wichtiger Schritt zur Überwindung der Rassentrennung: die ersten freien Wahlen in Südafrika im April 1994. Unsere Kollegin Vera Paulin war zu dieser Zeit in Südafrika auf Posten und erinnert sich für unsere „Amtsgeschichte(n)“.

Geduldiges Warten vor den Wahllokalen überall in Südafrika
Geduldiges Warten vor den Wahllokalen überall in Südafrika© dpa/picture-alliance

„Diese endlosen Schlangen von Wahlberechtigten, die ganz geduldig da standen und abwarteten, bis sie dann endlich ihr Kreuzchen machen durften.“ Bilder aus Pretoria, die Vera Paulin bis heute noch sehr präsent sind.

Damals war die damalige Mitarbeiterin der deutschen Botschaft als Wahlbeobachterin mit dabei. Heute, über 20 Jahre später sagt sie: „Trotz der Befürchtungen, dass die Situation in Land kippen könnte, war die Stimmung sehr festlich. Man spürte, dass Geschichte gemacht wurde!“

Jahre des Wandels ab 1990

Vera Paulin (z.Zt. Botschaft Ougadougou)
Vera Paulin (z.Zt. Botschaft Ougadougou)© AA/Paulin

Selbst in Südafrika geboren hatte sich Vera Paulin nach ihrem Schulabschluss in Deutschland für den Auswärtigen Dienst und die Ausbildung zur Fremdsprachenassistentin beworben. Im Laufe ihrer Karriere hat sie mehr als die Hälfte ihres Lebens in Afrika verbracht und erlebte so auch die spannenden Jahre des Wandels 1990-1995 in Südafrika.

Im Februar 1990 war Nelson Mandela, Gründungsmitglied des „African National Congress“ (ANC), aus der Haft entlassen worden. Jahrzehntelang hatte der ANC gegen die Diskrimierungen der Apartheid gekämpft, seit 1961 auch mit einem bewaffneten Flügel.

Seit der Haftentlassung sei Mandelas Rolle immer bedeutender geworden, erinnert sich Vera Paulin, auch seine öffentlichen Appelle für ein friedliches Miteinander: „Er war schon sehr beeindruckend.“ Nach Jahren blutiger Unruhen sollte nun der Wandel kommen:

Man spürte schon ziemlich deutlich die Anspannung auf beiden Seiten. Es sind fürchterliche Sachen passiert, Leute sind umgebracht worden. Als es dann auf 1994 zuging, auf die Wahlen, spürte ich aber auch die Hoffnung, die die Leute hatten. Trotz aller Rückschläge.

Südafrika auf dem Weg zur Demokratie

Das Team der deutschen Botschaft auf dem Weg zur Wahlbeobachtung
Das Team der deutschen Botschaft auf dem Weg zur Wahlbeobachtung© AA/Paulin

Nachdem der damalige Staatspräsident Frederik W. de Klerk seit 1990 Reformen und die Abschaffung der Apartheidsgesetze auf den Weg gebracht hatte, wurde 1993 eine Übergangsverfassung verabschiedet. Sie garantierte allen Südafrikanerinnen und -afrikanern das Wahlrecht. Im Frühjahr des folgenden Jahres war es dann soweit: Am 27. April 1994, der bis heute als Nationalfeiertag „Freedom Day“ gefeiert wird, trat die Verfassung in Kraft. In den Tagen vom 26.-29. April wurde gewählt.

Vera Paulin hatte sich freiwillig als Wahlbeobachterin gemeldet:

Es kam eine Verbalnote vom Außenministerium Südafrikas. Darin hieß es, wer als Wahlbeobachter mitmachen möchte, solle sich bitte melden. Zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen aus der Botschaft zog ich los. Beim Briefing wurden wir ausgestattet mit Ausweis, Armband und Mütze. Dann besuchten wir verschiedene Wahllokale.

Dort sei sie auch auf viele ältere Menschen getroffen, erinnert sich Paulin. „Sie sagten, 'Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch erlebe'. Sie waren ganz würdevoll zur Wahl gegangen und der Andrang war so groß, dass die Wahlzeit sogar verlängert wurde.“ Zwar habe es auch die Sorge gegeben, ob die Wahlen friedlich verlaufen würden, aber dann „gleichzeitig diese tolle Stimmung. Diese Hoffnung! Ich bekomme schon wieder Gänsehaut.“

Nelson Mandela wird neuer Präsident

Nelson Mandela (r.) bei seiner Vereidigung am 10. Mai 1994
Nelson Mandela (r.) bei seiner Vereidigung am 10. Mai 1994© dpa/picture-alliance

„Wie erwartet gewann der ANC und Mandela wurde erster schwarzer Präsident Südafrikas“, berichtet Vera Paulin. „Es war ein wirklich geschichtlicher Augenblick und ich war dabei.“ Bis heute hat sie als besondere Erinnerungsstücke noch das Programm für die Teilnahme des deutschen Außenministers an den Feierlichkeiten zur Amtseinführung und andere Unterlagen aus der Zeit rund um die Wahl behalten.

Am 10. Mai 1994 war es dann soweit, Pretoria machte sich bereit für die Inauguration des neuen Präsidenten, Nelson Mandela, und seines Vize-Präsidenten Thabo Mbeki. Südafrika fieberte dem Wechsel entgegen. Trotz der hoffnungsfrohen Stimmung gab es Sorge vor Gewaltausbrüchen. Die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt waren umfangreich:

Es war auf jeden Fall ein großer Freudentag. Eins weiß ich noch ganz genau, als ich am 10. Mai zur Botschaft gefahren bin. Wir hatten alle eine Fahrerlaubnis bekommen, dass wir über die Church Street fahren durften. Das ist eine große Hauptstraße in Pretoria. Diese war abgesperrt mit NATO-Draht links und rechts.

Blick von den Union Buildings am 10. Mai 1994
Blick von den Union Buildings am 10. Mai 1994© AA/Paulin

Gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus der deutschen Botschaft machte sie sich später dann zu Fuß auf den Weg zu den Union Buildings. Dort hatten sich viele Schaulustige versammelt. „Wir wollten zusehen, wie die Gäste wieder abreisen, neben vielen anderen Staats- und Regierungschefs war auch unser damaliger Außenminister Kinkel dabei.“

Nelson Mandela, der erste schwarze Präsident Südafrikas, hatte schon bei seinem Amtsantritt keine zweite Amtszeit im Sinn. Entsprechend gab er 1999 seinen Rücktritt als Präsident bekannt. Auch nach seinem Tod am 5. Dezember 2013 bleibt er Symbolfigur für das Ende der Apartheid in seinem Heimatland:

Er hat uns allen unheimlich viel beigebracht, finde ich: Vor allem Vergebung. Dass er uns das beigebracht hat und dass es eben doch zusammen geht trotz aller Unterschiede, das hat mich sehr beeindruckt.

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