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Erinnerungen an 9/11 in New York

11.09.2014 - Artikel

Am 11. September 2001 saß unsere Kollegin Monika Iwersen um kurz vor 9 Uhr im Bus auf dem Weg zur Arbeit. Es sollte eigentlich ein gewöhnlicher Arbeitstag an der Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen werden. Für die „Amtsgeschichte(n)“ erinnert sie sich, wie sie als deutsche Diplomatin die Terroranschläge und die Zeit danach in New York erlebt hat.

Am 11. September 2001 saß unsere Kollegin Monika Iwersen um kurz vor 9 Uhr im Bus auf dem Weg zur Arbeit. Es sollte eigentlich ein gewöhnlicher Arbeitstag an der Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York werden. Für die „Amtsgeschichte(n)“ erinnert sie sich, wie sie als deutsche Diplomatin die Terroranschläge und die Zeit danach in New York erlebt hat.

Monika Iwersen, Gesandte
Monika Iwersen, Gesandte© AA

Der Expressbus, der Monika Iwersen täglich in ihr Büro ins „Deutsche Haus“ bringt, fährt eigentlich bis hinunter zur Wall Street. Noch ahnt keiner, dass die Route geändert werden muss.

Kurz bevor die Diplomatin an der gewohnten Haltstelle in der Nähe des UN-Hauptquartiers aussteigt, gibt es eine eine erste Durchsage im Bus; die Rede ist von einer Explosion in Lower Manhattan. „Ich habe zuerst an eine Gasexplosion in einem Restaurant gedacht“, erinnert sich Monika Iwersen.

Erst vor zwei Monaten aus Bolivien nach New York versetzt, hat sich die politische Referentin im September 2001 an der Ständigen Vertretung schon gut eingelebt. Sie kümmert sich vor allem um Afrikathemen, aber auch um die anstehende Kandidatur der Bundesrepublik für eine zweijährige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat.

Explosion in Lower Manhattan

Die brennenden Türme des World Trade Centers
Die brennenden Türme des World Trade Centers© dpa/picture-alliance

Kurz nach 9 Uhr erreicht Monika Iwersen noch einigermaßen unbesorgt zu Fuß ihr Bürogebäude, Nummer 871 United Nations Plaza. Doch dann sieht sie, was passiert ist: „Im Eingangsbereich des Deutschen Hauses hängt ein Fernseher und auf dem Bildschirm sah man zu diesem Zeitpunkt schon die rauchenden Türme.“

Auch im Büro ihres Chefs steht ein Fernseher. Er bleibt den ganzen Tag angeschaltet. Schnell wird klar, dass es sich um einen Terroranschlag handeln muss.

Es wurde darüber gesprochen, dass noch eine vierte Maschine unterwegs ist. Auch das UN-Hauptquartier war unsere Sorge, weil das Gebäude ja sehr prominent am East River steht. Es war unklar, ob vielleicht auch die UNO ein Ziel der Terroristen werden würde.

Das Hauptquartier der Vereinten Nationen wird - genau wie viele andere Gebäude in New York - umgehend evakuiert. Obwohl sie sich in der gleichen Stadt befindet, aus der die TV-Bilder live gesendet werden, wirkt das Geschehen auf Monika Iwersen völlig unwirklich.

24-Stunden-Telefondienst

Die Trümmer am Ground Zero
Die Trümmer am Ground Zero© dps/picture-alliance

An Alltag ist in den Büros im „Deutschen Haus“ jetzt nicht mehr zu denken. Zunächst funktionieren die normalen Telefone noch gut, und die ersten besorgten deutschen Bürger melden sich beim Generalkonsulat.

Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem deutschen Generalkonsulat wird ein Krisenzentrum eingerichtet, das rund um die Uhr erreichbar ist:

Wir waren personell recht stark aufgestellt in der Ständigen Vertretung, also stellten wir unsere Arbeitskraft u.a. für die Telefon-Hotline zur Verfügung. Das haben wir ein paar Tage lang dann 24 Stunden durchgehend gemacht - bis klar war, wir haben die meisten erfasst, die Anrufe werden weniger.

Auch wenn sie selbst am Telefon nur Anfragen aufnimmt und nach Berlin weiterleitet, wo die Informationen über mögliche deutsche Opfer zusammengeführt werden, weiß sie doch, dass es in manchen Fällen kaum noch Anlass zur Hoffnung gibt.

Schnelle Entscheidung im UN-Sicherheitsrat

Das UN-Hauptquartier am East River
Das UN-Hauptquartier am East River© dpa/picture-alliance

In den Vereinten Nationen wird sehr schnell wieder gearbeitet, vor allem hinter den Kulissen: Wenige Stunden nach den Anschlägen seien die Sicherheitsrats-Botschafter „fast schon heimlich unter Ausschluss aller Öffentlichkeit zusammengetroffen“, um am 12. September die erste Reaktion der UN zu beschließen. „Das fand ich sehr bemerkenswert.“

In dieser UN-Resolution 1368 vom 12.09.2001 wurde unter anderem die Selbstverteidigungsklausel des Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen bekräftigt – auch nach Terrorangriffen. Die Anschläge werden als Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit verurteilt. Mitgefühl mit den Opfern wird bekundet. Die internationale Staatengemeinschaft soll außerdem verstärkt zusammenarbeiten und gemeinsam alle Formen des Terrorismus bekämpfen.

Deutsche Position in den Vereinten Nationen

„Wir haben die Solidarität mit den Amerikanern klar zum Ausdruck gebracht,“ sagt Monika Iwersen. Die Anschläge hätten die Arbeit der UNO im Anschluss sehr stark geprägt, berichtet sie aus ihrem damaligen Arbeitsalltag, „weil der Bereich Terrorismus mit einem eigenem Ausschuss bearbeitet wurde und natürlich wegen der Diskussionen in der Folgezeit, die zunächst über den Einsatz in Afghanistan, und viel später dann mit Blick auf eine Irak-Operation der Amerikaner geführt wurden.“ Letztere sorgt für eine außenpolitische Spaltung innerhalb der EU und für Unmut in den USA:

Beim Irak-Mandat haben die Amerikaner sehr viel Druck gemacht und wir als Deutschland hatten im Sicherheitsrat eine andere Haltung – die wir dann ja auch durchgezogen haben.

In den Arbeitskontakten habe sie im Vorfeld des Irak-Einsatzes gemerkt, dass die Atmosphäre zu den Amerikanern etwas frostiger wurde, erzählt Monika Iwersen. „Das hat die Leitung der Ständigen Vertretung intensiver gespürt und dann auch entsprechende Auseinandersetzungen austragen müssen.“ Dies habe sich zwar später wieder verbessert, „aber es war eine Weile dann schon etwas schwierig.“

Die Stadt verändert sich

Auf der Suche nach 9/11-Vermissten
Auf der Suche nach 9/11-Vermissten© dpa/picture-alliance

Diese politischen Folgen der Terroranschläge sind natürlich am 11. September abends noch nicht abzusehen, als Monika Iwersen nach einem langen Tag das Büro verlässt. Jedoch sei allen klar gewesen, das dieser Tag die Politik der nächsten Jahre massiv prägen würde, „dass es eine Zäsur“ war. Monika Iwersen geht zu Fuß nach Hause, gen Norden. Der Busbetrieb ist zunächst eingestellt, die Haltestellen werden in den Tagen danach zur Suche nach Vermissten genutzt.

Ich erinnere mich noch sehr lebhaft an die Zettel, die sehr lange an Busstationen hingen, im Zusammenhang mit dem 11. September, wo dann immer „Missing“ stand. Wo man eigentlich davon ausgehen musste, dass da noch Hoffnungen sind, die nicht mehr gerechtfertigt sind. Das hat mich schon sehr mitgenommen. Es war bewegend zu sehen, welche Schicksale es gab und welche Personen vermisst wurden.

Rund um die Ständige Vertretung sehen die Straßen leergefegt, aber weitestgehend normal aus. Nur der Geruch von Verbranntem, von Schutt und Asche erreicht die Büros im Deutschen Haus. In die Nähe von Ground Zero fährt Monika Iwersen gemeinsam mit einem Kollegen erst eine Woche später:

Da konnte man zunächst ja gar nicht rein, Anwohner nur mit Ausweis. Lower Manhattan war südlich der 14. Straße tagelang gesperrt. Am Union Square brannte nächtelang ein Meer aus Kerzen. Wir sind vielleicht so auf zwei, drei Blocks herankommen, danach war abgesperrt. Hier war war der Geruch besonders stark, man sah praktisch diesen zusammengefallenen Schutthaufen. Wir sind da eigentlich nur hingefahren, weil es für uns weiterhin kaum real war. Um zu verarbeiten, was wirklich passiert ist.

Die Gesandte Monika Iwersen ist seit Mitte 2014 stellvertretende Botschafterin an der Deutschen Botschaft in Tel Aviv, Israel.

Gedenken an den 11. September 2001 - Erklärung des Koordinators für die transatlantische Zusammenarbeit, MdB Jürgen Hardt (11.09.2014)

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