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Vom Trinken, Essen, Tanzen und Flirten

Artikel

4. März 1904: Das Programm einer feierlichen Veranstaltung des Auswärtigen Amts im Hotel Prinz Albrecht

Wie in jedem privaten Betrieb gehörten auch im Auswärtigen Amt feierliche Veranstaltungen für die Beschäftigten zum sozialen Arbeitsalltag. Natürlich widersprachen Humor und Kreativität nicht der strengen Etikette des Staatsdienstes im Auswärtigen Amt.

Ein wunderbares Beispiel dieses Humors zeigt ein Programm zum Essen, Trinken, Tanzen und Flirten, welches optisch einer klassischen Akte nachempfunden ist. Neben einem „Aktendeckel“ enthält es einen Rotulus mit unter anderem der Regelung der Verpflegungsfrage sowie Vorgänge und Vermerke. Das Programm stammt aus dem Nachlass Gerhard Köpkes, ehemaliger Beschäftigter im Auswärtigen Amt und zu dieser Zeit in der Personal- und Verwaltungsabteilung tätig.

Fotografie der Weihnachtsfeier des Auswärtigen Amts 1928. Männer, die an mehreren langen gedeckten Tafeln oder Tischen sitzen, schauen nach oben in die Kamera.
Fotografie der Weihnachtsfeier des Auswärtigen Amts 1928, Archivsignatur: PA AA, S2, Nr. 937© AA

Feierlichkeiten, ob nun offizielle Anlässe oder inoffizielle Veranstaltungen, waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein selbstverständlicher Teil diplomatischer Alltagskommunikation. Die höheren Kreise der Gesellschaft verkehrten besonders im Inland meist innerhalb ihrer geschlossenen sozialen Milieus und schichtübergreifende Festivitäten stellten eine Ausnahme da. Dies lag an der noch im ausgehenden 19. Jahrhundert begrenzten gesellschaftlichen Bewegungsmöglichkeit als auch an der generellen Dominanz der männlichen, adeligen Eliten im diplomatischen Bereich. Solchen Festivitäten kam dadurch eine besondere Bedeutung zu, da sie eine gute Möglichkeit sowohl für ledige Männer als auch Frauen darstellten, „einander näher zu kommen“ oder wie es Donata Krethlow-Benzinger in „Glanz und Elend der Diplomatie“ nennt, die „Fortdauer der aristokratischen Spezies zu sichern“.1 Auf genau diesen Aspekt spielt die Einladung vom 4. März 1904 sowohl durch ihren Titel als auch durch die süffisanten Vermerke an.

So sollten die Gäste in den Musikpausen „nicht zu still (zu) sein“ oder „nur soviel Confusion (zu) machen, als für nötig erachtet wird“. Auch bestand eine Aufforderung an die Gäste darin, das Formular zur Tanzpartnerwahl auf der letzten Seite „more solito“ (bedeutet: auf die übliche Weise) auszufüllen. Zu diesem Zweck war sogar ein an einer schwarz-weiß-roten Kordel befestigter Bleistift dem Programm angehängt.

Die „Veranstaltungsakte“ spiegelt aber nicht nur die soziale Situation wider, sondern greift auch politische Aspekte auf: So fällt der dritte Punkt im Rotulus völlig aus dem Spektrum und spricht die kaiserlich-deutsche Flottenpolitik offen an.

Nicht nur das Programm ist erwähnenswert, auch der Veranstaltungsort besitzt eine besondere Geschichte. Die Festivität vom 4. März 1904 fand im Hotel Prinz Albrecht statt, in der Prinz-Albrecht-Straße 9 südlich des Potsdamer Platzes, heute Niederkirchnerstraße. Es war aufgrund seiner Nähe zu den Bahnhöfen Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof und der Lage am Rande des Regierungsviertels ein in Politikkreisen sehr beliebter Aufenthalts- und Veranstaltungsort, sowohl für offizielle Anlässe als auch inoffizielle Veranstaltungen. Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte das Prinz Albrecht noch zu den vornehmeren Adressen der Berliner Oberschicht. Dies änderte sich 1934 mit dem Einzug verschiedener SS-Institutionen Heinrich Himmlers und der späteren Nutzung als organisatorische Schaltstelle des Reichssicherheitshauptamts. So wurde an dem ehemaligen Veranstaltungsort unter anderem die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden geplant und organisiert. Die Luftangriffe auf Berlin im Zweiten Weltkrieg beschädigten das Gebäude so stark, dass Mitte der 1950er Jahre der Abriss folgte. Heute steht an der Stelle die Dokumentationsstätte „Topographie des Terrors“, welche die NS-Verbrechen in der Wilhelms- und Prinz-Albrecht-Straße aufarbeitet.


1Krethlow-Benzinger, Donata Maria: Glanz und Elend der Diplomatie, Kontinuität und Wandel im Alltag des deutschen Diplomaten auf seinen Auslandsposten im Spiegel der Memoiren 1871–1914, Bern 2001 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe III Geschichte und ihre Hilfswissenschaften, Bd. 899).

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Über das hier dargestellte besondere Dokument wird in der Rubrik Regest und Formalbeschreibung informiert. Hier ist die Front (Deckblatt) zu sehen.
Front des Veranstaltungsprogramms vom 4. März 1904, Archivsignatur: PA AA, NL Köpken, Nr. 7© AA

Regest und Formalbeschreibung

Berlin, 1904 März 4

Veranstaltungsprogramm für eine Festivität des Auswärtigen Amts im Hotel Prinz Albrecht.

Archivsignatur: PA AA, NL Köpke, Nr. 7.

Programmheft, Ausfertigung, 8,9 cm x 14,9 cm, 4 Seiten im beschrifteten Einband, beidseitiger Druck (Fraktur), Fadenheftung, Einband einer Akte nachempfunden, daran eine schwarz-rot-weiße Kordel mit Bleistift; oben mittig Registraturbildner „Auswärtiges Amt, (darunter) Abteilung V.“, darunter mittig Titel „Akten betr[effend] Essen, Trinken, Tanzen, Flirten u.s.w.“, unten links unterstrichen Band- und Datumsangabe „Band I vom 4. März 1904“, darunter unterstrichen fiktive Aktenplanuntergruppe „Vergnügungssachen 11 Allgem[ein]“, unten rechts unterstrichen Ortsangabe „Hotel Prinz Albrecht“



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