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Zum Tode Hans-Dietrich Genschers

04.04.2016 - Pressemitteilung
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Diplomatenpolitiker Nr. 1: Gyula Horn 1991 über Hans-Dietrich Genscher © AA

Achtzehn Jahre, länger als jeder andere, stand Hans-Dietrich Genscher an der Spitze des Auswärtigen Amts. Er gestaltete die Außenpolitik der Bundesrepublik von der KSZE bis zur Deutschen Einheit und prägte den geduldigen Dialog als Stil deutscher Diplomatie.

Ungarns Außenminister Gyula Horn, der 1989 als erster den Eisernen Vorhang zerschnitt, nannte ihn, den „älteren Berufsgenossen“, den „Diplomatenpolitiker Nummer Eins unserer Zeit“ (unser Bild).

Die Persönlichkeit und das Wirken Hans-Dietrich Genschers haben sich tief in das institutionelle Gedächtnis des Auswärtigen Amts eingegraben – in die Akten des Politischen Archivs. Tausende von Briefentwürfen und Leitungsvorlagen tragen mit Grünstift geschriebene Bemerkungen in seiner unverwechselbaren Handschrift.

Doch besonders bewegt ein verwackeltes, zwölfminütiges Video, das ein Mitarbeiter der Botschaft der Bundesrepublik in Prag am Abend des 30. Septembers 1989 gedreht hat. Die Szene ist eine Ikone der deutschen Geschichte: „Genscher, Genscher, Genscher“ skandieren tausende Flüchtlinge aus der DDR, als der Außenminister den Balkon zur Gartenseite des Botschaftsgebäudes betritt. In der Fassung der Tagesschau ist sie weltbekannt; aber nur dieses Video zeigt hautnah die ganze Rede.

Das Video wird in der Audiovisuellen Sammlung des Politischen Archivs unter der Signatur S 17, Nr. 338 garantiert authentisch für kommende Generationen verwahrt. Im YouTube-Kanal des Auswärtigen Amts kann es jeder ansehen (Link dazu finden Sie unten auf der Seite).


Audiovisuelle Sammlung in der Beständeübersicht des Politischen Archivs

Mitschrift der Rede Genschers

Ein anderer Mitarbeiter der Botschaft, Thomas Strieder, schrieb in sein Tagebuch:

„BM [Bundesminister Genscher] geht auf Balkon, gefolgt von Begleitung. Ich gehe mit, halte ihm Megaphon hin, in der Menge im Garten laute Schreie, Rufe: ‚Ruhe! Genscher spricht!!!‘ Menge wird kurz ruhig.

BM sagt: ‚Bin heute gekommen, um Ihnen mitzuteilen…‘

Sofort dann lautes Geschrei, Jubel, totales Chaos unten und im Saal hinter uns. BM kann nicht ausreden. Sorge um Sicherheit. BM kann nicht weitersprechen, zu laut. BM ringt um Sprache, spricht weiter: ‚Ausreise genehmigt‘ etc. Schreie unten immer stärker, Jubel, Klatschen. Alles bewegt sich. BM zurück in Botschaft, still, versteinert.“

Der Tagebuchauszug stammt aus der vom Institut für Zeitgeschichte anhand der Bestände des Auswärtigen Amts herausgegebenen Edition „Die Einheit. Das Auswärtige Amt, das DDR-Außenministerium und der Zwei-plus-Vier-Prozess“ (Dokument 12).

„Die Einheit“

In der Edition finden sich als nüchterne Verwaltungsakten die nichtsdestotrotz dramatischen Zeugnisse des Ringens um eine Lösung für die Botschaftsflüchtlinge, die in Genscher persönlichem Appell an Eduard Schewardnadse in New York am 28. September 1989 gipfelten (Die Einheit, Dokument 8).

Zusammengenommen ergeben die im Politischen Archiv verwahrten Zeugnisse ein plastisches und packendes Bild von dem großen Staatsmann, den unser Land verloren hat, in seiner größten Stunde.

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