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„Aus dem Beamtenverhältnis ausgestoßen“ – Das Schicksal des Diplomaten Friedrich Leyden
Seit 7.11.2021 erinnern 54 Stolpersteine in der Berliner Wilhelmstraße an Mitarbeiter des Auswärtigen Amts, die 1933-45 entrechtet und verfolgt wurden. Ein Stein ist Friedrich Leyden gewidmet., © AA
In der Berliner Wilhelmstraße sind am 7. November 2021 sogenannte Stolpersteine verlegt worden, die an Mitarbeitende des AA erinnern sollen, die während der NS-Zeit entrechtet, verfolgt oder ermordet wurden. Ein Stolperstein gedenkt Friedrich Leyden, der 1944 im KZ Theresienstadt starb.
Das Auswärtige Amt war während der Zeit des Nationalsozialismus kein herausragender Ort des Widerstands. Die Angehörigen des Auswärtigen Dienstes waren in ihrer Mehrzahl keine Helden, sondern Zuschauer und Mitläufer, etliche wurden Täter. In der Wilhelmstraße war das gesamte Spektrum von Übereinstimmung, Opportunismus und Gleichgültigkeit vertreten. Ihre Weltläufigkeit hat die Diplomaten nicht davon abgehalten, der Diktatur zu Diensten zu sein, ihren Verbrechen zuzuarbeiten, auch selbst initiativ zu werden. "Hitlers willige Helfer" gab es auch im Auswärtigen Amt. Im Ausland deckten und verdeckten sie politisch und propagandistisch die Diktatur in Deutschland. Sie bereiteten den Zweiten Weltkrieg mit vor, halfen bei der Ausbeutung der Rohstoffe und Nahrungsmittel in Südost- und Osteuropa, legten wo es ihnen möglich war selbst Hand an beim Raub von Kulturgütern. Aktiv beteiligten sie sich an der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. Nach denselben rassistischen Kriterien wurden seit dem Machtantritt Hitlers zahlreiche Diplomaten aus ihrem Beruf verstoßen. Kolleginnen und Kollegen, mit denen man eben noch zusammengearbeitet hatte, galten plötzlich als ungeeignet zur Vertretung des braunen Staates im Ausland, wurden entrechtet und gedemütigt. Einem wurde das nationalsozialistische Vernichtungssystem mit tödlicher Folge zum Verhängnis.
Friedrich Levy wurde am 3. März 1891 als Sohn eines Professors für Romanistik und einer aus den Niederlanden stammenden Mutter geboren. Er wuchs in Freiburg im Breisgau auf, studierte nach dem Abitur in München Geographie und promovierte 1913 mit einer Arbeit über die eiszeitliche Entstehungsgeschichte des Alpenvorlands rund um den Tegernsee. Unterbrochen durch den Militärdienst während des Ersten Weltkriegs widmete sich der junge Wissenschaftler weiteren geographischen Studien. Eine Habilitation scheiterte, so schrieb später ein Studienfreund, an antisemitischen Ressentiments; dabei habe er „fraglos das Zeug zu einem guten akademischen Lehrer“ gehabt. Stattdessen änderte er seinen Nachnamen in Leyden und bewarb sich im Auswärtigen Amt. Aufgrund einer Empfehlung des Reichskanzlers Joseph Wirth wurde er im März 1922 in den Auswärtigen Dienst einberufen. Hier durchlief Friedrich Leyden erfolgreich die damals übliche Ausbildung als Attaché, arbeitete im Skandinavienreferat, in der Kulturabteilung, am Generalkonsulat in Neapel und bei Vertragsverhandlungen mit den baltischen Staaten. Eine diplomatische Karriere ist Leyden nicht beschieden gewesen. Es dürfte der im Auswärtigen Amt virulente Antisemitismus gewesen sein, der Beförderungen im Weg stand. So verschaffte er sich Anerkennung außerhalb des Dienstes mit wissenschaftlichen Arbeiten. Leydens erdkundliches Hauptwerk ist eine Stadtgeographie Berlins, die 1933 erschienen ist. Sie beruht, so der schon zitierte Studienfreund, „nicht allein auf Statistik, sondern [wurde] zum großen Teil erwandert“. Das originelle Buch wurde 1995 wieder aufgelegt. Im März oder April 1933 übersiedelte Leyden in die Niederlande. Im Auswärtigen Amt bereitete man sogleich seine Versetzung in den Ruhestand aufgrund des § 3 des erst am 7. April erlassenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor. "Beamte", heißt es da, "die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen". Eine vorbereitete Urkunde unterzeichnete der Reichspräsident aber nicht, denn zuständig war das Auswärtige Amt selbst. So versetzte Außenminister von Neurath den Legationssekretär Dr. Friedrich Leyden am 29. Mai 1933 mit 42 Jahren in den „dauernden“ Ruhestand. Schon im August desselben Jahres tauchte sein Name auf einer Emigrantenliste des Konsulats in Rotterdam auf. Jahrelang blieb der Legationssekretär a.D. unbehelligt, erhielt zuletzt rund 250 Mark an Ruhestandsbezügen, die er seit Kriegsbeginn dem Deutschen Roten Kreuz spendete. Nach der Besetzung Hollands geriet auch Leyden wieder in den Fokus der deutschen Verfolger und Mörder. Friedrich Leyden wurde am 22. April 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 31. Januar 1944 starb.
An Friedrich Leyden erinnert jetzt ein Stolperstein aus Messing in der Wilhelmstraße in Berlin, dort wo einst das Auswärtige Amt war.
Regest und Formalbeschreibung
Berlin, 1933 Mai 29
Außenminister Konstantin von Neurath versetzt Legationssekretär Friedrich Leyden in den Ruhestand
Archivsignatur: PA AA P 1/8866.
Urkunde, genehmigtes Doppel als Konzept, DIN A4, 1 Blatt, Vorderseite maschinenschriftlich beschrieben, oben rechts grafische Darstellung des Vermerks „Doppel als Konzept“, darunter oben mittig maschinenschriftlich Geschäftszeichen „e(x) o(fficio) I L 336 19/5“, daneben handschriftlich interne Nummerierung „I“, unter dem Text Unterschrift „gez(eichnet) Fr(ei)h(er)r v(on) Neurath“, unten mittig und rechts datierte Paraphen in rot, Bleistift und blau.
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