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100 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschlands mit den baltischen Staaten
An das Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit anderen Staaten wird gern erinnert. Selten ist allerdings, dass es mit drei Staaten gleichzeitig und dann noch zweimal gefeiert werden kann.
Am Ende des Ersten Weltkriegs befand sich der Europäische Kontinent und auch das Baltikum im Umbruch: Die bis dahin zum Zarenreich gehörenden „Ostseeprovinzen“ strebten nach Unabhängigkeit. Ihre Anerkennung als eigenständige Staaten erlangten sie in mehreren Schritten. Das Jahr 1921 markiert hierbei einen Wendepunkt.
Der Beginn der diplomatischen Beziehungen mit Litauen liegt bereits im November 1918, ist aber nicht in einer sonst üblichen parallelen Weise verlaufen. Dem in Berlin seit dem 23. November 1918 regelgerecht akkreditierten litauischen Gesandten standen in Litauen schon zuvor zwei Vertreter Deutschlands gleichzeitig gegenüber, der Vortragende Rat im Reichsjustizamt Ludwig Zimmerle, noch vom Kaiser zum Generalbevollmächtigten des Reichs ernannt, und der nach der Revolution vom Staatssekretär des Auswärtigen Amts mit der „vorläufigen Vertretung des Auswärtigen Amtes“ betraute Friedrich von Verdy du Vernois. Das Nebeneinander von Zimmerle und Verdy hat sich offenbar nicht bewährt, denn im Juli 1919 regten beide unabhängig von einander an, den jeweils anderen abzuberufen, wobei sich Zimmerle durchsetzte. Erst am 13. Januar 1920 übernahm ein vom Auswärtigen Amt entsandter Geschäftsträger, Fritz Schönberg, die Geschäfte. Sein Nachfolger Franz Olshausen übergab schließlich am 20. Januar 1923 sein Beglaubigungsschreiben als Gesandter.
Auch die förmliche Anerkennung verlief in mehreren Schritten. Der Beschluss des litauischen Landesrats („Taryba“) vom 16. Februar 1918 war weder Beginn noch Endpunkt des Anerkennungsprozesses. Von deutscher Seite wurde damals größter Wert auf eine enge Bindung Litauens an Deutschland gelegt. Ein entsprechender, bereits vom 11. Dezember 1917 datierender Beschluss der Taryba wurde am 23. März 1918 von ihr bekräftigt. Am gleichen Tag wurde von Reichskanzler Graf Hertling gegenüber einer litauischen Abordnung die Anerkennung ausgesprochen.
Die förmliche Anerkennung Lettlands wurde dem Unterstaatssekretär im Außenministerium Hermanis Albat am 2. Februar 1921 durch den Leiter der im August 1920 errichteten deutschen „Diplomatischen Vertretung“, den gesandten Walther Wever, ausgesprochen. Im „Vorläufigen Abkommen über die Wiederaufnahme der Beziehungen“ vom 15. Juli 1920 war vereinbart worden, damit so lange zu warten, bis eine der im Friedensvertrag von Versailles genannten alliierten Hauptmächte die Anerkennung ausgesprochen hatte. Der lettische Außenminister Meierovics hatte den Reichsminister des Auswärtigen, Simons, mit Schreiben 31. Januar 1921 unterrichtet, dass dies nunmehr unter anderem von Großbritannien, Frankreich und Italien geschehen sei. Das Abkommen von 1920 sprach von „Wiederaufnahme“, weil erste Fühlungnahmen zuvor zeitweise von kriegerischen Auseinandersetzung Lettlands mit Russen, Deutschbalten und zeitweise eben auch dem Deutschen Reich unterbrochen wurden.
Eine erste lettische Mission hatte am 22. August 1919 ihren Sitz am Kaiserdamm in Berlin-Charlottenburg genommen; im AA sprach man etwas abfällig vom „einstweiligen de facto-Vertreter der lettländischen Regierung“ Im Herbst 1920 entsandten dann beide Seiten diplomatische Vertreter. Das Gesandtschaftsgebäude der Zwischenkriegszeit, von dem in der Bildsammlung des Politischen Archivs ein etwas verschwommenes Foto überdauert hat, ist das gleiche, in dem heute die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland untergebracht ist.
Am 9. Juli 1921 berichtete der Leiter der im Dezember 1919 errichteten „Diplomatischen Vertretung Reval“, Henkel, über die offizielle Anerkennung Estlands und über die Geschäftsübergabe an seinen Nachfolger von Hentig am gleichen Tag. Estland hatte seinerseits im Oktober 1919 eine diplomatische Vertretung in Berlin errichtet, wie Lettland am Kaiserdamm 115 in Berlin-Charlottenburg.
Im Gefolge der geheimen Vereinbarungen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 („Hitler-Stalin-Pakt“) wurden die baltischen Staaten 1940 von der Sowjetunion annektiert.
Die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu den drei baltischen Staaten wurden mit Briefwechseln der Außenminister vom 28. Augst 1991 wiederaufgenommen. Der Prozess der Ablösung Estlands, Lettlands und Litauens von der Sowjetunion begann im Januar 1991. War im März 1991 die Errichtung deutscher Kulturinstitute in den baltischen Republiken noch auf Schwierigkeiten gestoßen, konnten die baltischen Außenminister bereits am KSZE-Außenministerrat am 19./20. Juni 1991 in Berlin teilnehmen, wofür sich die Bundesrepublik besonders eingesetzt hatte. Am Rand dieser Konferenz kam es auch zu einem Gespräch Genschers mit den drei Außenministern am 18. Juni 1991. Mit dem Scheitern des Augustputschs in Moskau begann dann der Zerfall der UdSSR. Schon am 23. August führte Genscher ein Gespräch mit der litauischen Ministerpräsidentin Prunskiene. Zur gleichen Zeit fand ein Gespräch des Moskauer Botschafters Blech mit dem estnischen Präsidenten Rüütel statt.
100 Jahre deutsch-baltische Beziehungen sind für alle Seiten ein Grund zur Freude. An ihren Ausgangspunkt erinnern diese Besonderen Dokumente.
Regest und Formalbeschreibung
Riga, 1920 Oktober 03
Lettische Ratifikationsurkunde zum Vorläufiges Abkommen über die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Lettland.
Archivsignatur: PA AA V 11-LET/2.
Ratifikationsurkunde, Ausfertigung, 25,5x38cm (Text), 27,5x39cm (Einband), 4 Blatt Büttenpapier, Vorder- und Rückseiten in Maschinenschrift beschrieben (in lettischer Sprache), gebunden mit rot-silberner Kordel in brauner Kunstledermappe, ein rotes Lacksiegel, das das Vertragsband auf der Unterschriftenseite fixiert: Umschrift „Latwijas satwerstmes Sapulzes“ (übers. „Konstituierende Versammlung Lettlands“) und Symbol der Konstituierenden Versammlung Lettlands.
Unterzeichnende:
Jānis Čakste, Präsident der Konstituierenden Versammlung
Zigfrīds Anna Meierovics, Außenminister
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