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Warschau am 7. Dezember 1970 – ein Kniefall und ein Vertrag
Unterschriftenseite des Warschauer Vertrags vom 7. Dezember 1970, © AA
25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs unterzeichnen am 7. Dezember 1970 Vertreter der Bundesrepublik Deutschland und Polen den Warschauer Vertrag. Bei der Kranzniederlegung am Mahnmal für den Gettoaufstand 1943 kniet Willy Brandt nieder – eine Geste zur Bitte um Vergebung.
Im Zuge ihrer Gewaltverzichtspolitik verhandelte die Bundesregierung nicht nur mit der Sowjetunion, sondern auch seit Februar 1970 mit der Regierung der Volksrepublik Polen. Die Gespräche fanden in Warschau und Bonn statt. Der deutschen Delegation stand der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Georg Ferdinand Duckwitz, vor. Aufgrund seiner Rettungsaktion für die Juden in Dänemark im Oktober 1943 galt Duckwitz in Polen als integrer Mann. Ihm gegenüber am Verhandlungstisch saßen der polnische Außenminister Stefan Jędrychowski und sein Stellvertreter Jozef Winiewicz.
Die Verhandlungen kreisten um die Frage der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze und um die Ausreise deutschstämmiger Einwohner*innen Polens im Rahmen der Familienzusammenführung. Der polnischen Seite ging es in erster Linie um die Grenzanerkennung, während die deutsche Seite den Gewaltverzicht und die Familienzusammenführung im Vertrag verankert wissen wollte.
Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Schütz, ein ehemaliger Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hatte im Zuge einer Polenreise seinen Gesprächspartnern bereits signalisiert, dass die Bundesrepublik bereit sei, die Grenze zu respektieren. Staatssekretär Duckwitz trat nun gegenüber Bundesaußenminister Scheel dafür ein, der polnischen Seite nicht nur einen Gewaltverzicht anzubieten, sondern auch die Respektierung der Oder-Neiße-Linie als Grenze in die Tat umzusetzen. Sonst könnten die deutsch-polnischen Gespräche über die Normalisierung der Beziehungen nicht zu einem erfolgreichen Ende geführt werden.
Schließlich stellten beide Vertragspartner fest, wie es in Artikel I, Absatz 1 des Warschauer Vertrages heißt, dass der Verlauf der Oder-Neiße-Linie die Westgrenze Polens bildet. Hinsichtlich der Familienzusammenführung war die polnische Delegation nur bereit, der deutschen Seite eine sogenannte Information über die Anzahl der ausreisewilligen Deutschstämmigen aus Polen zukommen zu lassen.
Mit der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags gelingt 25 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs der erste Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen.
Der polnische Ministerratsvorsitzende Jozef Cyrankiewicz hatte angeregt, dass der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt den Vertrag mitunterzeichnen solle – eine diplomatische Besonderheit, da die Bundesrepublik Deutschland und Polen zu diesem Zeitpunkt noch gar keine diplomatischen Beziehungen zueinander unterhielten. Das offizielle Programm stellte vor die Unterzeichnung des Vertrags Kranzniederlegungen, unter anderem am Mahnmal für den Aufstand im Warschauer Getto 1943. Nachdem Willy Brandt die Kranzschleife mit der Aufschrift „Der Bundeskanzler“ gerichtet hatte, trat er zurück – und kniete vor dem Mahnmal nieder; er verharrte kurz und erhob sich dann wieder.
Dieser Kniefall von Warschau – der „unschuldige Exilant“ bat um Vergebung für die „schuldigen Deutschen“ – wie auch der Warschauer Vertrag waren in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland höchst umstritten. Die Vertriebenenverbände sahen darin die Preisgabe der ehemals deutschen Ostgebiete. Willy Brandt begegnete diesem Vorwurf in seiner Fernsehansprache mit dem Satz: „Er [der Vertrag] gibt nichts preis, was nicht längst verspielt worden ist.“
Regest und Formalbeschreibung
Warschau, 1970 Dezember 07
Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen („Warschauer Vertrag“): stellt übereinstimmend die Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze fest und bekräftigt deren Unverletzlichkeit; legt die Befolgung der Grundsätze der VN-Charta, die Konfliktlösung ausschließlich mit friedlichen Mitteln sowie den Verzicht auf die Androhung von Gewalt fest.
Archivsignatur: PAAA V 21-POL/14
Vertragsurkunde, Ausfertigung, 35x24 cm (Text), 36x25 cm (Einband), 10 Blatt Büttenpapier, Vorderseiten in Maschinenschrift beschrieben, Vorsatzkarton mit geprägtem Bundesadler, Nachsatzkarton, gebunden mit schwarz-rot-goldenem Band in blaue Kunstledermappe mit goldenem geprägten Bundesadler, zwei rote Lacksiegel, die das Vertragsband auf der hinteren Innenseite des Einbands befestigen: „Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland“ mit Bundesadler, „Ministerstwo spraw zagranicznych“ mit polnischem Adler.
Unterzeichnende:
Willy Brandt, Bundeskanzler
Walter Scheel, Bundesminister des Auswärtigen
Józef Cyrankiewicz Vorsitzender des Ministerrats
Stefan Jędrychowski, Außenminister
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