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Die Generalakte der Berliner Kongo-Konferenz
Die Berliner Kongo-Konferenz (im anglophonen Raum v.a. auch Westafrika-Konferenz oder Berliner Afrika-Konferenz genannt) fand vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck in der Wilhelmstraße 77 (heute Hausnummer 92) in Berlin statt. Insgesamt nahmen 14 Staaten an der Konferenz teil: das Deutsche Reich (Gastgeber), die USA, das Osmanische Reich, Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Russland, Spanien und Schweden-Norwegen. Ziel der Konferenz war zum einen die Handelsfreiheit im Kongobecken und die freie Schifffahrt auf dem Niger und dem Kongo zu vereinbaren. Zum anderen und insbesondere sollten Regeln geschaffen werden, wie die Kolonialmächte künftig Gebietsansprüche auf dem afrikanischen Kontinent anmelden können, um gewaltvolle Konflikte untereinander zu vermeiden. Somit wurden auf der Konferenz - entgegen der weitverbreiteten Annahme - keine konkreten Grenzen gezogen, sondern vielmehr ein völkerrechtlicher Rahmen für eine möglichst gewaltfreie Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten festgelegt. Im gesamten Prozess wurden weder afrikanische Vertreter:innen konsultiert, noch spielten afrikanische Interessen überhaupt eine Rolle.
Ein Sonderfall im Prozess der Konferenz stellt der sogenannte Kongo-Freistaat (heutige Demokratische Republik Kongo) dar. Auch wenn sich dies nicht im Schlussdokument der Kongokonferenz, der Kongoakte, wiederfindet, wurde dieser am Rande der Konferenz als Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II anerkannt. Die Akte beschrieb das Seegebiet vor der Kongomündung, das Kongobecken und das östlich davon gelegene Gebiet, für welches fortan Handelsfreiheit galt. Sie untersagte den Sklavenhandel im Kongobecken, verpflichtete die Vertragsparteien zur Achtung der Neutralität des Kongobeckens und enthielt auf dem Grundsatz der Schifffahrtsfreiheit beruhende Kongo- und Nigerschifffahrtsakten. Weitreichender waren allerdings die Artikel 34 und 35, die den Grundsatz der effektiven Herrschaft festlegten. Dieser Grundsatz erweiterte die Definition des Anspruchs kolonialer Herrschaft, um die Etablierung sogenannter herrschaftssichernder Strukturen im ganzen angestrebten Gebiet. Erst der Nachweis, Recht, Handels- und Durchreisefreiheit nach allgemein anerkannten Maßstäben auch tatsächlich sichern zu können, sollte fortan den Kolonialbesitz gegenüber konkurrierenden Mächten legitimieren. Rein symbolische Akte wie das Hissen der eigenen Flagge reichten hingegen im Anschluss an die Beschlüsse nicht mehr aus, um einen solchen Anspruch zu erheben. Dies führte dazu, dass die kolonialen Bestrebungen und die koloniale Unterdrückung sich von den Küstengebieten weit ins afrikanische Binnenland ausdehnten. Dementsprechend war die Berliner Kongo-Konferenz nicht der alleinige Ursprung des sogenannten „Scramble for Africa“, jedoch Katalysator eines Prozesses, der bereits zuvor begonnen hatte. De facto verstärkten die Beschlüsse der Konferenz die wirtschaftliche Ausbeutung des Kontinents und die Unterdrückung der lokalen Bevölkerung. Auch wenn die meisten Grenzen des Kontinents erst nach der Berliner Kongokonferenz gezogen wurden, geschah dies in bilateralen Verhandlungen, die den Bestimmungen der Kongoakte folgten. Somit ist sie ein Schlüsselmoment des Kolonialismus und steht symbolisch für die Grausamkeiten dieser Zeit. Die Folgen sind für den afrikanischen Kontinent bis heute wirtschaftlich, politisch und kulturell spürbar.
Warum befindet sich die Originalakte im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts?
Die Konferenz in Berlin war von Beamten des Auswärtigen Amts vorbereitet und organisiert worden. Im Ministerium wurde bald nach der Konferenz eine Kolonialabteilung gegründet, die sich mit der Zeit (und mit dem Anwachsen eines deutschen Kolonialreichs) vergrößerte, bis 1907 das Reichskolonialamt als eigene Verwaltungsbehörde geschaffen wurde. Damals gingen die Akten mit in die neue Behörde. Das ist der Grund, warum das Politische Archiv - auch wenn es immer wieder anders erwartet wird – nahezu keine Unterlagen zur deutschen Kolonialgeschichte verwahrt. Die Akten des Reichskolonialamts und der Kolonialverwaltungen sind im Bundesarchiv überliefert und mittlerweile weitestgehend digitalisiert. Da die meisten Akten handschriftliche Aufzeichnungen in Kurrentschrift enthalten, ist ihr Inhalt nur von einem kleinen Kreis von Wissenschaftler:innen zu erfassen. Im Politischen Archiv aber befinden sich neben der Generalakte der Berliner Afrikakonferenz noch zahlreiche weitere völkerrechtliche Verträge, die man dem kolonialpolitischen Erbe zurechnen muss. Viele bilaterale Abmachungen sind den Grenzverläufen der Kolonien oder kolonialen Verwaltungsfragen gewidmet.
Und heute?
Heute, 140 Jahre nach der Berliner Afrikakonferenz, ist die Erkenntnis des Unrechts und der Verbrechen, die der Kolonialismus mit sich brachte, keineswegs neu. Neu ist, dass es dieses Verständnis der Geschichte und die Absicht zur umfassenden Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit in einem Koalitionsvertrag einer Bundesregierung enthalten ist.
Das Auswärtige Amt wurde mit der Ausrichtung der Berliner Kongo-Konferenz zu einem zentralen Akteur des deutschen Kolonialismus. Dieser Verantwortung stellt sich das Ministerium.
Faksimiles der Vertragsseiten und eine Übersetzung finden Sie unten auf dieser Seite!