Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Geschichte des Politischen Archivs und seiner Bestände

Zwischen zwei mit liegenden und stehenden Aktenordnern und –bündeln gefüllten Regalen ein Mann mit kurzen Haaren, hellem Blazer und dunkler Hose, der auf einer Leiter an einem Regal steht

Das Politische Archiv in den 1950er Jahren, © Bundesregierung

Artikel

Das Politische Archiv verwahrt heute Archivalien im Umfang von 26 laufenden Kilometern. Die Struktur der Bestände und die Existenz von Überlieferungslücken sind auch das Ergebnis einer ereignisreichen Archivgeschichte seit 1920. Die Kenntnis dieser Geschichte in ihren Grundzügen ist für die Planung von Archivrecherchen und für die Quellenkritik sehr wichtig.

Gründung und Aufbau (19201936)

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Organisation des Auswärtigen Amts grundlegend umgestaltet. Ein Teil dieser „Schülerschen Reform“ war die Gründung eines „Hauptarchivs“, das die Akten der aufgelösten alten Abteilungen verwahren sollte. Die zweite Wurzel des Archivs war die Erarbeitung der Edition „Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch“.

Am 3. August 1920 nahm das Hauptarchiv im Dienstgebäude Wilhelmstraße 75 seinen Betrieb auf; seit 1924 firmierte es als „Politisches Archiv“. Damit begann die eigenständige, vom 1919 gegründeten Reichsarchiv unabhängige Archivtradition des Auswärtigen Amts. Zum ersten Leiter wurde mit Hermann Meyer (1883–1943) ein Mitarbeiter des preußischen Geheimen Staatsarchivs bestellt. Er verfasste eine bis heute nicht ersetzte Quellenkunde zu den Akten des Auswärtigen Amts.

Unabhängig vom Archiv, aber in enger sachlicher Verbindung mit ihm wurde ein „Schuldreferat“ für die geschichtswissenschaftliche und propagandistische Auseinandersetzung mit der so genannten Kriegsschuldfrage eingerichtet. Hier wurde mit „Die Große Politik der Europäischen Kabinette“ die erste umfassende Edition aus Archivalien des Auswärtigen Amts erstellt.

Bei seiner Gründung 1870 führte das Auswärtige Amt die Aktenserien des preußischen Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten fort. Nicht mehr benötigte Akten wurden gelegentlich an das Geheime Staatsarchiv abgegeben. Nach der Gründung des Politischen Archivs vereinbarte man 1921 eine Zuständigkeitsabgrenzung, der zufolge alle Akten, die vor dem 1. Januar 1867 abgeschlossen worden waren, im Geheimen Staatsarchiv und die jüngeren Akten im Politischen Archiv archiviert wurden.

Den Grundstock des Politischen Archivs bildeten 20.000 Aktenbände der alten Politischen Abteilung (I A) aus deren aufgelöster Registratur, dem Zentral- und Depeschenbüro. Nach und nach wurden auch Akten der „nichtpolitischen“ Abteilungen und der Auslandsvertretungen archiviert. Aus Platzmangel wurden um 1930 „nichtpolitische“ Archivalien aus der Zeit bis 1918 allerdings auch im Reichsarchiv deponiert, nämlich Akten der

  • Konsularunterabteilung (I C),
  • Handelspolitischen Abteilung (II),
  • Rechtsabteilung (III).

Von Anfang an im Reichsarchiv befanden sich die Akten der Kolonialabteilung (IV), die 1907 als unabhängiges Reichsamt ausgegliedert worden war.

Literatur: Meyer 1920; Philippi 1959; Kröger 2012.

Auswahlbibliographie

Evakuierungen und Kriegsverluste (1936–1945)

Unter der Nazi-Diktatur wurde das Schuldreferat 1936 mit dem Politischen Archiv zusammengelegt. Seitdem fungierte das Archiv auch als „Historisches Referat“. Im Zweiten Weltkrieg war das Politische Archiv bis in den Sommer 1940 hinein an Beutezügen in den Archiven fremder Außenministerien beteiligt. Die Beuteakten wurden spätestens mit dem Kriegsende zurückgeführt.

Eine weitere Organisationsreform im Jahre 1936 und massenhafte Aktenabgaben der Auslandsvertretungen angesichts der Kriegsgefahr im Zuge der Annexion des Sudetenlandes 1938 erschöpften die Kapazität des Politischen Archivs und erzwangen weitere Auslagerungen von Archivalien in das Reichsarchiv.

Der dem nationalkonservativen Widerstand nahestehende Archivleiter Johannes Ulrich (1902–1965) stieß 1943 die Evakuierung der Bestände des Politischen Archivs nach Schlössern im Harz an. Davon erfasst wurden die Gesamtüberlieferung aus der Zeit bis 1920 und der größte Teil der Archivalien aus den Jahren 1920 bis 1936. Durch einen Unfall beim Transport verbrannten allerdings aus diesem Überlieferungszeitraum ein Großteil der Verschlusssachen und Teile der Akten der Kulturabteilung.

Die Akten aus der Zeit ab 1936, die 1943 noch für laufende Dienstgeschäfte benötigt wurden, fielen weitestgehend dem Bombenkrieg oder, in den letzten Kriegsmonaten, bewusster Vernichtung an den Ausweichstandorten des Auswärtigen Amts zum Opfer. Die erlittenen Verluste lassen sich nur ungefähr eingrenzen. Sie betreffen insbesondere

  • Akten der Politischen Abteilung zu Ländern, mit denen das Deutsche Reich 1943 noch diplomatische Beziehungen unterhielt,
  • Akten des „Büros Reichsminister“ (die allerdings in Teilen auf Mikrofilm erhalten sind),
  • Personalakten der 1943 noch aktiven höheren Beamten.

Die Bergungsorte des Politischen Archivs blieben von unmittelbarer Kriegseinwirkung verschont. Im April 1945 wurde die Vernichtung der Verschlusssachen zwar befohlen, die Umsetzung von den dort eingesetzten Archivaren aber verzögert. Der Verlust blieb gering. Letztlich wurden insbesondere Archivalien folgender Provenienzen verbrannt:

  • Politische Abteilung I Militär,
  • Handelspolitische Abteilung,
  • Botschaft Paris.

Literatur: Hansen 1996; Kröger und Thimme 1999; Grupp 2002.

Auswahlbibliographie

Sicherstellung und Rückgabe (19451951)

Die ausgelagerten Bestände des Politischen Archivs wurden 1945 von den Westalliierten geborgen, mit in Berlin aufgefundenen Geschäftsakten des Auswärtigen Amts sowie Fremdprovenienzen (u. a. Reichskanzlei) vereinigt und 1948 nach Whaddon Hall in Großbritannien überführt. Die Archivalien wurden in Auswahl verfilmt; Duplikate der Filme können noch heute beim Nationalarchiv der USA erworben werden. Aus der Erfassung des Materials und anhand der alten Repertorien entstanden die „Oxford-“ und „Kent-Kataloge“ als Hauptfindmittel für die Überlieferung bis 1945. Schließlich wurde begonnen, die Edition „Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918–1945“ (ADAP) zu erarbeiten.

Die im Reichsarchiv deponierten Archivalien des Auswärtigen Amts erlitten insgesamt keine großen Kriegsverluste. Mit Splittern der in Berlin und an den Ausweichstandorten des Auswärtigen Amts verbliebenen Geschäftsakten wurden sie von der Sowjetunion sichergestellt und bis 1960 dem Deutschen Zentralarchiv in Potsdam übergeben. Reste dieser Archivalien der Rechtsabteilung befinden sich noch im Sonderarchiv des Staatlichen Militärarchivs in Moskau oder sind verschollen.

1951 übergaben die Westalliierten der Bundesrepublik Deutschland zunächst Personal- und Haushaltsakten, die für den Aufbau des neuen Auswärtigen Amts benötigt wurden. Zur Archivierung dieser Akten wurde das Politische Archiv als Referat wiedereingerichtet. Die übrigen Archivalien wurden auf der Grundlage eines 1956 geschlossenen Abkommens bis 1959 nach Bonn überführt und stehen der Forschung seitdem uneingeschränkt offen. Das Editionsprojekt der ADAP wurde unter gleichberechtigter Teilnahme deutscher Historiker fortgesetzt.

Die nach 1938 vor Ort verbliebenen Akten der Auslandsvertretungen waren entweder vernichtet oder von den Gastländern beim Kriegseintritt gegen Deutschland bzw. zum Kriegsende sichergestellt worden. Die beschlagnahmten Akten wurden seit 1951 weitestgehend zurückgegeben, Registraturteile einiger Auslandsvertretungen befinden sich aber noch in ausländischen Institutionen.

Literatur: Philippi 1960; Schmid 1962; Thimme 2001; Eckert 2004.

Auswahlbibliographie

Zwei außenpolitische Archive (19512000)

Nach 1951 verstand sich das Politische Archiv zunächst als Auslesearchiv, das von den Geschäftsakten des neuen Auswärtigen Amts nur die eindeutig archivwürdigen übernehmen wollte. Wie 1920 wurde der Anfang der systematischen Überlieferungsbildung mit den Akten der Politischen Abteilungen gemacht. Zur durchgängigen Entlastung der Registraturen von Altakten wurde eine eigene „Reponierte Registratur“ gegründet, die erst 1968 dem Politischen Archiv angeschlossen wurde. Zuvor waren hier aus Platzmangel vor allem Akten der Länderreferate in der Wirtschaftsabteilung aus den frühen 1950er-Jahren kassiert worden.

1972 wurde das „Zwischenarchiv“ als zusammengefasster Bestand eingerichtet, in den seitdem sämtliche Aktenabgaben aus dem Inland einfließen, bis sie archivisch bearbeitet und dem ihrer Provenienz entsprechenden Bestand des Endarchivs zugeordnet werden. Für die Archivalien der Auslandsvertretungen wurde ein zweiter zusammengefasster Bestand eingerichtet. Die Bestandsbearbeitung im Endarchiv begann im großen Stil in den 1980er-Jahren. In diesem Zusammenhang wurden die Akten der Zentralen Rechtsschutzstelle, die dem Auswärtigen Amt von 1953 bis 1970 angegliedert war, an das Bundesarchiv abgegeben.

Die Edition der ADAP wurde 1995 abgeschlossen. Zeitgleich begann das Institut für Zeitgeschichte München/Berlin, im Auftrag des Auswärtigen Amts im Abstand von 30 Jahren zu den dokumentierten Ereignissen jährlich einen Jahrgangsband der „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ (AAPD) zu veröffentlichen; 1993 erschien als erster Band der Jahrgang 1963.

Im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) der DDR wurde 1951 ein Verwaltungsarchiv zur temporären Aufbewahrung eingerichtet, das 1966 den Status eines von der Staatlichen Archivverwaltung der DDR unabhängigen Endarchivs erhielt. Zuletzt war das Archiv zuständig für

  • offen geführte Akten der Zentrale und der Auslandsvertretungen des MfAA,
  • offengelegte Verschlusssachen,
  • Ressortabkommen der DDR mit anderen Staaten.

Die Personalakten und die noch eingestuften Verschlusssachen wurden bei anderen Stellen im MfAA und die Staatsverträge der DDR beim Ministerrat archiviert. Diese Bestände wurden nach der Herstellung der Deutschen Einheit bei der Verwaltungs- und Abwicklungsstelle des Auswärtigen Amts mit dem MfAA-Archiv vereinigt und verblieben im Depotgebäude des Zeughauses in Berlin. Durch die Vernichtung oder Entfremdung von Akten in den letzten Monaten der DDR weist die Überlieferung für die späten 1980er-Jahre insbesondere für die Leitungsebene des MfAA Lücken auf.

Umzug und Konzentration (seit 2000)

Mit dem Umzug des Auswärtigen Amts wechselte 2000 auch das Politische Archiv von Bonn nach Berlin. In den Archivmagazinen des neuen Dienstsitzes in der Kurstraße, des ehemaligen Reichsbankgebäudes, wurden die Überlieferungen des Auswärtigen Amts, des MfAA sowie die Bauunterlagen der Reichsbank zusammengeführt.

Die im Zentralen Staatsarchiv der DDR eingelagerten Teilbestände waren 1990 vom Bundesarchiv übernommen wurden. Mit einem Archivalienaustausch wurden 2008 übersichtlichere Verhältnisse der Bestandsverteilung geschaffen. Das Bundesarchiv verwahrt seitdem alle Archivalien der Rechtsabteilung bis 1918 sowie diejenigen der Handelspolitischen Abteilung aus den Jahren ihres Bestehens (1867–1920, 1936–1945). Im Politischen Archiv befindet sich seitdem die gesamte Überlieferung der

  • Auslandsvertretungen,
  • Personal- und Verwaltungsabteilung,
  • Länderabteilungen (1920–1936).

Die Verschlusssachen der Bundesrepublik Deutschland blieben bis zur Einführung einer Fristenregelung zum 1. Januar 2013 für die Benutzung grundsätzlich gesperrt. Allerdings erwuchs schon seit 1993 aus der Erarbeitung der AAPD eine stark benutzte Sammlung von Kopien zehntausender offen gelegter Verschlusssachen (Bestand B 150). Die Einstufungen von Verschlusssachen des Deutschen Reiches und der DDR sind 1945 bzw. 1991 erloschen.

Literatur: Biewer 2005; Walter 2009.

Auswahlbibliographie

nach oben